Ich habe in einem Katzenforum eine Geschichte für den Adventskalender geschrieben.

Die soll aber hier auch nicht fehlen.

Passend zur Weihnachtszeit.

 

Viel Spaß beim Lesen.

 

Weihnachten für Kater Sam

 

 

 

Da war sie wieder. Diese Zeit in der alle Menschen herumwuselten und das  Tierheim fast jeden Tag randvoll mit Besuchern war.

 

Sam setzte sich daher immer ganz nah an das Gitter und lächelte alle an. Doch auch in diesem Jahr gingen alle an dem schwarzen, alten Kater vorbei.

 

Als es ruhig wurde kam die Pflegerin zu ihm ins Gehege.

 

„Ach Sam. Es tut mir so leid. Ab morgen wird es wieder ruhiger hier. Ich hatte so gehofft, dass Du Weihnachten in Deinem neuen Zuhause feiern kannst. Hab‘ noch Geduld.“

 

 

 

Geduld. Sam hatte schon lange Geduld. Er fraß ein paar Brocken Futter und ging zu seiner Decke. Geduld.

 

Sam wusste nicht, wie lange er hier schon lebte. Es war aber schon eine lange Zeit.

 

 

 

Als junger Bursche hatte er eine Familie. Zwei große Menschen und zwei kleine Menschen. Meistens stand auch etwas zu fressen da. Wenn die Familie vergessen hatte ihm etwas zu geben, dann ging er hinaus und fing sich Mäuse, Ratten oder anderes Getier. Er hatte eine eigene Tür, durch die er immer raus und reingehen konnte.

 

Das war aber nicht immer so. Zuerst hielten ihm die Menschen die Türe auf, wenn er hinaus wollte. Aber als er mal dringend musste und alle schliefen hat er gerufen und gerufen. Zuerst haben sie ihn angebrüllt, dann Gegenstände nach ihm geworfen. Da hat er unter den Tisch gemacht. Am nächsten Morgen packte ein großer Mensch ihm ins Nackenfell, stopfte seine Nase in den Haufen und schmiss ihn vor die Tür.

 

Sam hatte lange vor der verschlossenen Tür gerufen, damit sie ihn wieder einließen. Es dauerte ein paar Tage, da war da plötzlich eine kleine Tür, durch die sie ihn hindurch schoben. Seither hatte er seine eigene Tür.

 

 

 

Sam wurde älter, die Kinder größer und sie hatten immer weniger Zeit für ihn. Wenn er zu ihnen ins Bett kroch kickten sie ihn mit den Füßen wieder hinaus und brüllten ihn an.

 

 

 

Doch dann gab es da diese Momente. Wenn die Menschen traurig waren. Und Sam wusste genau wann sie traurig waren. Dann ging er vorsichtig zu ihnen und drückte sanft seine Nase in ihr Kopffell. Und dann streichelten sie ihn sanft.

 

„Ach Sam, lieber Sam, mein Sam“ sagten sie dann.

 

Hatten seine Menschen keine Zeit für Sam oder ihn wieder aus dem Haus geworfen, dann ging Sam oft spazieren. Um Mäuse zu fangen oder einfach in der Sonne zu dösen.

 

Einmal kam er an ein kleines Haus. Vor dem Haus saß ein alter Mann auf der Bank. Der sah ihn an.

 

„Hey, wer bist Du denn? Bist Du Sam von nebenan? Ich habe die Menschen oft schreien hören, dass Du abhauen sollst. Bist Du Sam?“

 

Sam neigte seinen Kopf und hörte der ruhigen Stimme zu.

 

Dann sagte der Mann:

 

„Sam, Sam, Sammy,

 

komm zu Opi,

 

keine Angst und lauf nicht weg,

 

dann kriegst Du auch Katzenspeck“

 

und er hielt Sam ein Stück Speck in den Wind, dass gerade noch auf seinem Brot war. Sam konnte nicht wiederstehen. Noch während Sam den Speck aus der Hand nahm fing der alte Mann an ihn zu streicheln. Das war so schön.

 

Fortan lief Sam jeden Tag zu dem alten Mann. Er wurde immer mit den gleichen Worten begrüßt:

 

„Sam, Sam, Sammy,

 

komm zu Opi,

 

keine Angst und lauf nicht weg,

 

dann kriegst Du auch Katzenspeck“.

 

 

 

Sam dachte hin- und wieder darüber nach, wie es wäre, wenn er bei dem alten Mann wohnen würde. Doch es war ihm inzwischen so wichtig geworden aufzupassen wann seine Menschen traurig waren um für sie da zu sein, dass er es nicht übers Herz brachte. Auch dann nicht, wenn er wieder eine Nacht im Schuppen verbringen musste, weil auch seine kleine Tür verschlossen war.

 

 

 

Als wieder einmal das Haus bunt geschmückt wurde und Sams Menschen ganz aufgeregt alles nur Mögliche ausgepackt hatten nahmen sie ihn plötzlich hoch und steckten ihn in eine Box. Sam war verwirrt. Normalerweise kümmerte sich in dieser Zeit überhaupt niemand um ihn und er verbrachte viel Zeit bei dem alten Mann.

 

 

 

Sie nahmen ihn mit in so ein lautes Ding, mit dem sie immer herum fuhren. Nur ein großer Mensch war noch da und fuhr mit Sam fort. Es war dunkel draußen und kalt.

 

Als sie eine Weile gefahren waren, wurde die Tür geöffnet, der Korb abgestellt und aufgemacht.

 

„Viel Glück Sam“ sagte der große Mensch, stieg wieder in das laute Ding und fuhr davon.

 

Sam war verwirrt. Er hatte keine Ahnung wo er war. Geduld Sam.

 

 

 

Es saß eine ganze Weile so da und bemerkte, wie ihm die Kälte in die Glieder kroch. Ein Stück entfernt- in die Richtung von der er glaubte das da sein Zuhause sei- war eine große, breite Straße, auf der viele laute Dinger hin- und her sausten. Es half nichts, da musste er hin. Immerhin hatte sein Mensch ihn vergessen und vielleicht würden sie ihn ja doch schon vermissen.  Der alte Mann würde es sicher.

 

„Sam, Sam, Sammy,

 

komm zu Opi,

 

keine Angst und lauf nicht weg,

 

dann kriegst Du auch Katzenspeck“.

 

 

 

Geduld Sam. Er saß an der lauten Straße. Er wusste genau, er brauchte den richtigen Augenblick, den einen Moment der ihn da rüber brachte. Geduld Sam.

 

Er lief.

 

Ein dumpfer Schlag, ein kurzer Schmerz, dann verlor Sam das Bewusstsein.

 

 

 

Als er wieder erwachte war er im Tierheim.

 

„Auf der anderen Seite der Autobahn stand eine Transportbox. Darin war eine Decke mit dem Namen „Sam“ aufgestickt. Wir wissen nicht, ob das seine Box ist, aber nennen wir ihn doch Sam. Es ist ein Wunder, dass er durchgekommen ist und überhaupt gefunden wurde in dem hohen Schnee“.

 

Das waren die ersten Worte, die Sam wieder wahr nahm und die fremde Menschen zueinander sagten. Da lag er in einem winzigen Käfig.

 

 

 

Später kam er in ein größeres Zimmer. Auch mit Gitter. „Tierheim“ hieß das.

 

 

 

Sam wusste nicht wie alt er war. Aber er wusste, dass er 8-mal diese komische, bunte Zeit im Jahr in seiner Familie erlebt hatte. Und seit er hier war, gab es auch bereits 8-mal diese Zeit, in der auch hier viele bunte Lichter brannten und viel mehr Menschen herkamen als sonst.

 

Jedes Mal setzte sich Sam ganz nah an das Gitter, damit sie ihn sehen konnten. Aber immer gingen alle vorbei.

 

Sam wusste auch, dass dieses Treiben mit einem Schlag vorbei war. Immer kam eine Pflegerin dann zu ihm und sagte: „ Ach Sam, es tut mir so leid. Hab Geduld Sam, wir finden schon ein Zuhause für Dich“.

 

 

 

Geduld.

 

Plötzlich gab es einen Tumult an der Tür.

 

„Ich habe Ihnen doch gesagt, wir vermitteln jetzt nicht mehr. Tiere sind keine Weihnachtsgeschenke. Hören Sie denn nicht? Sie können hier nicht rein… „

 

 

 

Sam ging nah ans Gitter. Dieses Mal aus Neugierde, was da los sein könnte.

 

Ein alter Mann kam direkt auf ihn zu. Sah ihn an. In die Augen.

 

„Sam, Sam, Sammy,

 

komm zu Opi,

 

keine Angst und lauf nicht weg,

 

dann kriegst Du auch Katzenspeck“.

 

Der Mann griff in seine Tasche. Der Geruch war so wahr wie Sams Gedanken an früher.

 

Sam nahm wahr, wie ungläubig die Pflegerin erst ihn und dann den alten Mann ansah.

 

„Sie kennen diesen Kater?“

 

„Ja, das ist meiner“.

 

 

 

Sam fuhr mit dem alten Mann nach Hause. Fortan verbrachte er die Tage mit den bunten Lichtern im Haus mit Katzenspeck. Hin- und wieder setzte er sich auf die Wiese, die ihn von seinem alten Zuhause trennte und überlegte nachzusehen, ob dort jemand traurig ist.

 

Geduld Sam.

 

„Sam, Sam, Sammy,

 

komm zu Opi,

 

keine Angst und lauf nicht weg,

 

dann kriegst Du auch Katzenspeck“.

 

Sam war Zuhause.